Historie der Orgeln

Die Geschichte der Orgeln und der Orgelmusik im Herforder Münster lässt sich bis in die Frühzeit des nachchristlichen abendländischen Orgelbaus zurückverfolgen: Bereits für das Jahr 909 wird der Klang einer Orgel erwähnt, (so ein Chronist in der älteren Vita von Königin Mathilde 974). Als der spätere  König Heinrich seine Braut Mathilde („aus dem Geschlechte Widukinds“) „in aller Stille“ aus dem Herforder Stift abholte, heißt es: „…nicht unter Glocken und Orgelklang…“ (wörtlich: “non cimbalis seu organis“). Es ist also der Schluss zu ziehen, wenn die Orgel nicht gespielt wurde, müsste (in einer der Vorgängerkirchen des heutigen Münsters) doch schon ein Instrument vorhanden gewesen sein. Ein halbes Jahrtausend später sind 1532, dem Jahr der Einführung der Reformation am Herforder Münster und 1560 Organisten und damit Instrumente im Herforder Münster nachweisbar. Im Jahre 1600 wurde die bestehende Orgel durch die berühmte Hamburger Orgelbauerfamilie Scherer umgebaut, so der Vertrag der Äbtissin „über das Ausbessern der Orgel für 200 Thaler…“. Schon 1626 und 1630 nahmen  Daniel und Ernst Bader und „Conrad Orgelmacher“ (Conrad Bader) aus Bielefeld weitere Umbauen und Reparaturen vor. Die Disposition ist etwa in den 1660er Jahren aus undatierten Rechnungen folgendermaßen rekonstruierbar:

Disposition ca. 1660er Jahre (Rekonstruiert)
Werck (F-a3)
Praestant 6′
Holtflöhte (?) 6′
Octave 3′ …
Quinta 2′ …
Sufflet 1 ½‘
Mixtur
Trompet 6′
Brustwerck
Krummhorn 6′ ?
Tapflöhte 6′ (?)
  Pedal ?

1684/85 wurde mit Hinrich Reinking aus Bielefeld ein Vertrag über folgende Disposition geschlossen.

Er wurde in Springladenbauweise und mit 5 Bälgen ausgeführt:

Disposition 1685
Oberwerk (C, D-c3)
Quintaden 16′
Praestant 8′
Viol di Gamba 8′
Querflöte 8′
Quinta 6′
Octav 4′
Spitzflöte 4′
Hohlflöte 4′
Quintflöt 3′
Waldflöt 2′
Sexquialtera 3f
Mixtur 6f 2′
Trompet 8′
Schallmey 4′
Rückpositiv ?
(vorgesehen (?)
Pedal
Praestant 16′
Octav 8′
Mixtur 6f
Posaune 16′
Trompet 8′
Cornett 2′
zwei Tremulanten

Tafel Möller

Dieses Instrument wurde sogleich nach der Fertigstellung heftig kritisiert, denn Reinking bittet die Herforder Fürstäbtissin noch 1692 um einen, wohl wegen Nachbesserungen ausstehenden Geldbetrag. 80 Jahre später, 1763/65, erfolgte ein weiterer Umbau durch Johann Patroklus Möller mit der Erweiterung um ein erneuertes (!) Rückpositiv (“… das Andere alles und sonderlich das Rückpositiv ganz neu gemacht worden”. Folglich könnte auch vorher ein Rückpositiv da gewesen sein sowie 14 Register auf Springladen und vier neue Bälge von je 12’ Länge und 5 ¾’ Breite. Der neue Prospekt war 31’ breit. Nach Aufstellung des neuen Werkes bildete die Orgelfassade, in der sich die Pedaltürme bogenförmig ans Hauptwerk anschlossen, “eine brillante Fronte”. Im gesamten Prospekt standen die klingenden Pfeifen von Prinzipal 16’ (Pedal) und Octave 8’ mit zum Teil 12’ langen Kondukten sowie im Rückpositivprospekt von Prinzipal 8’. Möller zog die Orgel vor, “so dass sie über die Mauer und dem Altar, dem ersten Bogen und Pfeiler am Chore […] zu stehen gekommen, da es vorher hinter dem Bogen und auf den hölzernen Pfeilern der Prieche gestanden.” Die Orgel präsentierte sich nun optisch  eindrucksvoll auf einem Lettner vor dem hohen Chor des Münsters.

 

 
Lettner

Zuvor stand die Orgel also auf einer hölzernen Empore hinter dem Lettner. Dieser Lettner wurde um 1868 abgerissen, und die wegen ihres warmen und fülligen Klangs in etlichen Quellen gerühmte Orgel verschwand spurlos. Nur eine Tafel auf der sogenannten Schlafhausempore zeugt noch von ihrer Existenz.

 

 

 

 

Disposition 1763:
Hauptwerk
Bordun 16′
Principal 8′
Viola da Gamba 8′
Quintade 8′
Quinta 6′
Octav 4′
Flöte 4′
Terzian 4′
Quintflöt 3′
Sesquialtera 3f
Mixtur 5f 2′
Cimbel 4f
Trompet 8′
Trompete 4′
Rückpositiv
Principal 8′
Gedact 8′
Flauto travers 8′
Octav 4′
Rohrflöt 4′
Quinta 3′
Octav 2′
Sifflöt 1 1/3′
Sesquialtera 2f 1 1/3′
Mixtur 4f 1 1/3′
Scharff 3f ¼‘
Krummhorn 8′
Pedal
Principal 16′
Octav 8′
Diskant Octav 4′
Sesquialtera 2f 6′
Mixtur 7f
Posaun 16′
Trompet 8′
Trompet 4′
Keine Koppeln nachweisbar, Manualumfänge: 48 Tasten

1836-42 waren Reparaturen durch Orgelbauer Kummer aus Minden nötig. Und 1867, nach einem Gutachten des Herforder Orgelbauers Meyer, stand die Orgel trotz der Bemühungen des Orgelbauers Kummer immer noch im Chorton, damals etwa 1/4 Ton über dem Kammerton, was das Zusammenspiel mit den Stadtmusikanten erschwerte. Der Zustand der Orgel vor 1869 ist folgendermaßen überliefert:

Disposition vor 1869
Hauptwerk (C,D-c3)
Bordun 16′
Principal 8′
Viola di Gamba 8′
Quintade 8′
Hohlflöte 8′
Salicional 8′
Octave 4′
Gemshorn 4′
Spitzflöte 4′
Rohrflöte 4′
Quintflöte 3′
Octave 2′
Mixtur 3-5f
Trompete 8′
Rückpositiv (C,D-c3)
Principal 8′
Gedackt 8′
Flauto traverso 8′
Fernflöte 8′
Octav 4′
Rohrflöte 4′
Gedackt 4′
Quinte 3′
Octave 2′
Krummhorn 8′
Pedal
Principal 16′
Subbaß 16′
Violon 16′
Octave 8′
Octav 4′
Posaune 16′
Trompete 8′
Schleifladen mit mechanischer Ton- und Registertraktur, in allen drei Werken fehlt das Cis

Nach Abriss des Lettners 1868 erfolgte in darauf folgenden Jahr “unter dem Thurm, hinter der Taufe”, also vermutlich am westlichen Ende des Münsters unter dem Nordturm, ein Neubau durch Friedrich Meyer/Herford mit zwei Manualen und Pedal und 35 Registern auf mechanischer Schleiflade. 1891 erweiterte Meyer das Instrument auf drei Manuale mit 52 Registern. Zu dieser Zeit rückte die Orgel auf der neu errichteten Westempore in das Zentrum zwischen beide Türme und bekam statt der vorhandenen vier Kastenbälge zwei neue Magazinbälge.

Orgel 1936

Ihre Disposition war 1891:

Disposition 1891:
I. Manual
Prinzipal 16′
Prinzipal 8′
Gambe 8′
Hohlflöte 8′
Gemshorn 8′
Gedackt 8′
Oktave 4′
Hohlflöte 4′
Gambe 4′
Rauschqu. 2f 2 2/3′
Cornett 4f 4′
Mixtur 4f 2′
Zimbel 3f 1′
Trompete 16′
Trompete 8′
II. Manual
Lieblich Gedackt 16′
Prinzipal 8′
Flauto traverso 8′
Salicional 8′
Quintatön 8′
Oktave 4′
Flauto traverso 4′
Fugara 4′
Doublette 2′
Scharff 4f 2 2/3′
Klarinette 8′
III. Manual
Quintatön 16′
Geigenprinzipal 8′
Wienerflöte 8′
Lieblich Gedackt 8′
Aeoline 8′
Vox coelestis 8′
Oktave 4′
Gemshorn 4′
Flauto dolce 4′
Violine 2′
Progressio harm.
Oboe 8′
Pedal
Prinzipalbaß 16′
Subbaß 16′
Violonbaß 16′
Quintbaß 10 2/3′
Prinzipal 8′
Violoncello 8′
Gedacktbaß 8′
Oktave 4′
Cornett 3f 5 1/3′
Bombarde 32′
Posaune 16′
Trompete 8′
Clairon 4′
Mechanische Tontraktur, pneumatische Registertraktur, Schleif-und Kegelladen (III: Manual) , II/I, III/I, I/Ped, II/Ped, III/Ped, 3 Tritte für feste Kombinationen: Mezzoforte, Forte, Tutti.

 

Orgel o.D. 30er

Im Jahre 1917 mussten die zinnernen Prospektpfeifen für Rüstungszwecke abgeliefert werden. Und 1920 wurde das Instrument durch den Lippischen Orgelbauer Ernst Klassmeier umgebaut. Den größten Teil des Pfeifenbestandes übernahm er. Nur die Register Gamba 8′ und Cello 8′ wurden neu gebaut. Das II. Manual erhielt einen Piccolo 2′ als Auszug aus dem Scharff, das Pedal eine Zartbaß 16′ als Transmission aus dem II. Manual. Der technische Teil wird vollständig neu konstruiert. Die Manuale I und II sowie das Pedal bekamen pneumatische Kegelladen, die Kegellade des Manual III wurde pneumatisiert. Der Umbau befriedigte jedoch nicht, denn die Pneumatik arbeitete nur fehlerhaft, Klassmeier wurde per Urteil zum Nachbessern gezwungen, konnte aber die grundlegenden Konstruktionsfehler nicht beheben. 1921/22 arbeitete Klassmeier wieder am Instrument, doch konnte er die Mängel nicht beseitigen. Ein neuer Spieltisch samt Umwandlerstation für den Spielwind wurde gefertigt. Verschiedene Gutachter (Karl Straube, Orgelbauer Giesecke) gaben wenig positive Urteile über das Instrument ab. 1923 wurde ein Kostenvoranschlag bei Furtwängler & Hammer eingeholt: Sämtliche Zungenregister, einige andere Register und der elektrische Wind-Erzeuger sollten ersetzt und der Jalousieschweller repariert werden. Die Bombarde 32′ sollte entfernt werden und gleichzeitig sollte die Orgel umintoniert werden. Klassmeier wurde aus dem Vertrag entlassen und ausbezahlt. Der Umbau wurde nicht ausgeführt, lediglich die nötigsten Reparaturen geschahen. 1925 bauten Furtwängler & Hammer die Registerschaltung um. Vermutlich wurde eine Walze eingebaut und im Pedal die Oktave 4′ durch einen Choralbass 4′ ersetzt. Die Orgel verfiel in der Folgezeit zusehends, bis ein Bombentreffer im Zweiten Weltkrieg ein Übriges tat.

Orgel 1951

In den Nachkriegsjahren, 1949/51, nahm mit großem Einsatz der damaligen Münstergemeinde die Firma Förster & Nikolaus aus Lich in Hessen einen Neubau der Hauptorgel in Angriff. Der damalige Organist Arno Schönstedt hatte ihn initiiert und geplant. Die Intonation nahm Fritz Abend vor. Die Disposition, die “die Ergebnisse der nun fast drei Jahrzehnte währenden Orgelbewegung klanglich konzessionslos mit bewusster Betonung des vor allem liturgisch zu gebrauchenden Instruments berücksichtigt”, wurde nach langen Verhandlungen verwirklicht, zunächst “nach klassischem Vorbild in drei Etagen: BW, HW, OW, dahinter unten die große Pedallade, oben die kleine Pedallade. Es sind damit auch die konstruktiven Voraussetzungen für einen werkgerechten Orgelklang erfüllt.” (Arno Schönstedt). Man baute in äußerst funktionssicherer elektrischer Kegelladenbauweise, über die Schönstedt schrieb: “… in ihrer Arbeitsweise in nichts den Schleifladen nachzustehen brauchen, bei einem solchen großen Instrument jedoch erhebliche Vorteile besitzen, sofern sie, wie in diesem Falle, mit elektrischer Traktur verbunden sind.” Der Manualumfang wurde unerklärlicherweise von C bis f3 festgelegt, was die Ausführung eines großen Teiles der Orgelliteratur nach 1860 fast unmöglich macht. Jüngste Recherchen von Fabian Brackhane habe ergeben, dass einige Pedalregister (Prinzipalbass 16`, vermutlich Subbass 16’, Quintbass 10 2/3`, Oktavbass 8’, Gedacktbass 8’ und die Becher der Posaune 16’) in hohem Maße historisches Material der Vorgängerorgeln von 1869/90 enthalten. Es sind somit die ältesten Pfeifen Herfords und die einzigen Pfeifen des Herforder Orgelbauers Meyers, die im Stadtgebiet erhalten sind.

Orgel 1952

1961 wurde die Orgel dann um Rückpositiv durch die Erbauerfirma erweitert.

um 1960

Der Herforder Kaufmann Wolfgang Tengelmann hatte es gestiftet. Ein neues, von Wulf Knipping entworfenes Gehäuse wurde gebaut und dabei ein Austausch der Prospektpfeifen der Oktave 16′ (HW) mit Rundlabien gegen einen enger mensurierten Prinzipal 16′ mit Spitzlabien vorgenommen. Eine geringfügige Umdisponierung und “Klangschärfung” im Sinne der 60er Jahre sollte der Vollständigkeit halber erwähnt werden.

60er Jahre

Die Disposition war 1961:
Hauptwerk (II) (C-f3)
Prinzipal 16′
Prinzipal 8′
Rohrflöte 8′
Viola da Gamba 8′
Oktave 4′
Nachthorngedackt 4′
Quinte 2 2/3′
Oktave 2′
Blockflöte 2′
Zink 2-4f 2 2/3′
Mixtur 5-6f 1 1/3′
Zimbel 3f ½‘
Fagott 16′
Trompete 8′
Oberwerk (III)
(C-f3)
Quintadena 16′
Holzgedackt 8′
Koppelflöte 8′
Prinzipal 4′
Rohrflöte 4′
Nasat 2 2/3′
Spitzflöte 2′
Terz 1 3/5′
Sifflet 1′
Zimbel 4-5f
Krummhorn 8′
-Tremulant-
Rückpositiv (I) (C-g3)
Prinzipal 8′
Holzflöte 8′
Oktave 4′
Rohrflöte 4′
Gemshorn 2′
Nasat 1 1/3′
Sesquialtera 2f
Scharff 4-6f
Dulzian 16′
Vox humana 8′
-Tremulant-
Brustwerk (IV) (C-f3)
Gedacktpommmer 8′
Spitzflöte 4′
Prinzipal 2′
Quinte 1 1/3′
Terzian 2f
Scharff 5f
Regal 8′
Pedal (C-f1)
Prinzipal 16′
Untersatz 16′
Quintbaß 10 2/3′
Oktave 8′
Gedackt 8′
Oktave 4′
Rohrgedackt 4′
Prinzipal 2′
Nachthorn 2′
Hintersatz 4f
Ped.-Zimbel 4f
Posaune 16′
Trompete 8′
Clarine 4
HW, OW, BW und Pedal mit elektropneumatischer Kegelladen, Rückpositiv von 1961 mit elektrischer Schleiflade, I/II, III/II, IV/II, I/Ped, II/Ped, III/Ped, IV/Ped;  3 Freie Kombinationen, Organo Pleno, Zungeneinzelabsteller

Auf dieser Orgel hat, besonders zu Zeiten von Münsterorganist Arno Schönstedt, eine immense Riege weltbekannter Organisten konzertiert, darunter auch die großen Virtuosen aus dem Paris der 50er und 60er Jahre. 1992 disponierte die Firma Orgelbau Steinmann aus Vlotho die Orgel nach Plänen von Münsterkantor Hartmut Sturm um: Im Hauptwerk wurde Zink 2-4 fach durch ein hochgebänktes Cornet 5fach ab g° 8’ ausgetauscht, es wurde eine Koppel IV/III eingebaut. Das Brustwerk erhielt eine vollkommen neue Gestalt mit folgendem Klangaufbau:

Traversflöte 8’
Gambe 8’
Spitzprinzipal 4’
Oktave 2’
Sesquialtera 2f
Mixtur 4f
Hautbois 8’

So präsentierte sich die große Orgel im Herforder Münster aus musikalischer Sicht als ein Konglomerat aus vier ähnlich neobarock disponierten Werken mit einem unvollkommenen, schwellbaren Brustwerk. Das Fehlen von fis3 und g3 in den Manualen II, III und IV sowie  Verschleißerscheinungen und eklatanten Sicherheitsmängeln, besonders in der gesamten Elektrik des Instrumentes aus den Jahren 1949/50, ließen Gedanken an eine technische Instandsetzung aufkommen. Zudem wurde die Orgel durch eine längere Zeit andauernde Renovierung der Westfassade in den Jahren 2001/02 stark verschmutzt, und alle Holz und Lederteile waren mit Schimmel überzogen. Dagegen hat das Instrument eben auch auffallende Qualitätsmerkmale aufzuweisen: Eine grundsolide Konstruktion von Windladen, Gehäuse und tragenden Teilen, störungsfrei arbeitende Trakturen und Ventile und eine, besonders in den Grundstimmen, tragende und raumfüllende Mensurierung. Auch besitzt sie im Bereich der Zungen und Aliquoten manch geschmackvoll intoniertes, orgelbewegtes Original, das heute nicht mehr so gebaut wird. So entstanden im Laufe der Jahre auf Initiative von Münsterkantor Stefan Kagl in Zusammenarbeit mit zahlreichen konzertierenden Gastorganisten Pläne, das Instrument technisch und musikalisch zu überarbeiten.

Renovierung und Erweiterung der Orgel 2006

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Eine Generalreinigung, ein kompletter Austausch der elektrischen Anlagen samt allen Kontakten und Magneten und die Umstellung auf 24 Volt sowie der Ausbau aller Manuale bis g3 waren der Ausgangspunkt der Überlegungen. Die Klangsubstanz der Orgel sollte, bis auf zwei sehr hohe Mixturen aus den 60er Jahren erhalten bleiben. So wurden behutsam Register innerhalb der Manuale getauscht, gerückt oder umintoniert, ganz oder teilweise neu gebaut, um die klanglichen und musikalischen Möglichkeiten des Instruments zu erweitern. Das zeittypische, geschwungene Design des Spieltisches sollte bewahrt werden, ohne jedoch auf die modernen Spielhilfen einer elektrischen Orgel zu verzichten.

Spieltisch

Die Arbeitsgemeinschaft der Orgelbaumeister Michael Jocher und Jean Paul-Edouard (als leitender Intonateur) hatte nach einer beschränkten Ausschreibung den Auftrag erhalten. Dr. Hans-Christian Tacke, der zuständige Orgelsachverständige, schreibt in seinem Gutachten zu den Dispositionsänderungen und klanglichen Veränderungen: “Die Disposition stellt sich nach dem Umbau wesentlich geschlossener als zuvor dar. Das Gesamtkonzept bringt durch den Umbau des Oberwerks zu einem großen Schwellwerk und der Neuordnung nach chorisch-symphonischen Gesetzmäßigkeiten große Vorteile mit sich, die sich vor allem durch eine enorme Verbreiterung der stilistischen Vielfalt bemerkbar machen werden. Endlich wird eine gültige Interpretation des reichen Orgelmusikschaffens des 19. und 20. Jahrhunderts möglich. Anzusprechen ist vor allem die französische Literatur zwischen etwa 1870 und 1980. Die Bereicherung mit Grundstimmen (32’ im Pedal und 8’ im Manual), sowie durch die neuen Zungenchöre zu 32’, 16’, 8’, 4’ erhält die Orgel die nötige Gravität und einen “Kathedralenklang”, der dem Herforder Münster angemessen ist. Die klangliche Präsenz des Instrumentes wird sich verbessern und der Orgelmusik im Münster künftig eine sehr große Aufmerksamkeit garantieren. Die gesamten Verbesserungen können mit einem – in Abwägung zwischen Aufwand und Wirkung – absoluten Minimalaufwand erreicht werden, da nur 5 Register komplett neu gebaut werden müssen, dazu noch 48 Pfeifen von 4 anderen Registern. Durch die Verwendung eines gebrauchten Registers und die neuen Zungenblättchen für die wieder verwendeten Linguale sind die Neubaumaßnahmen am Pfeifenwerk bereits vollständig beschrieben. Alle weiteren Dispositionsveränderungen kommen ausschließlich durch sinnvolle Registerumstellungen zustande. Dies ist eine große Leistung der Planung und lässt sich als ausgesprochen ökonomisch bezeichnen.“

Weiterhin wurde der Einbau einer ausgebauten englischen Hochdrucktuba extern, an der Südmauer der Westempore, durch die Orgelbaufirma Siegfried Schmid verwirklicht. Die Intonation dieser Tuba wurde von Orgelbaumeister Georg Jann vorgenommen.

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Dies alles ist erst durch die großzügige Hilfe vieler ansässiger Firmen, Stiftungen und die zahlreichen Einzelspenden Herforder Bürger möglich geworden. Der Herforder Orgelsommer hat vielen Menschen dieses Instrument durch zahlreiche Konzerte wieder ins Bewusstsein gerückt und dadurch Anreiz gegeben, dieses Projekt zu verwirklichen. Das Instrument ist mittlerweile durch viele CD-Aufnahmen und Rundfunksendungen in aller Welt bekannt geworden und genießt hohe Anerkennung in Fachkreisen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Disposition nach der Renovierung und Erweiterung 2006:
I. Hauptwerk (C-g3)
1. Prinzipal 16’
2. Prinzipal 8’
3. Flûte harmonique 8’
4. Rohrflöte 8’
5. Viola da Gamba 8’
6. Oktave  4’
7. Nachthorn 4’
8. Quinte  2 2/3
9. Oktave  2’
10. Cornet 5fach
11. Mixtur 5-6fach
12. Bombarde   16’
13. Trompette  8’
14. Clairon  4’
Pedal (C-f1)
15. Bordun 32’
16. Prinzipal 16’
17. Subbaß 16’
18. Quintbaß 10 2/3
19. Oktave 8’
20. Gedackt  8’
21. Oktave 4’
22. Rohrgedackt 4’
23. Prinzipal  2’
24. Nachthorn  2’
25. Hintersatz 4fach
26. Bombarde 32’
27. Posaune 16’
28. Dulzian 16’
29. Trompete 8’
30. Clarine  4’
Koppeln:
31. II/I *
32. III/I *
33. Sub III/I
34. Super III/I
35. IV/I *
36. III/II *
37. IV/III *
38. I/P *
39. II/P *
40. III/P *
41. IV/P *
*Normalkoppeln auch als Tritte
IV. Echo (Brustwerk, C-g3)
42. Holzgedeckt 8’
43. Traversflöte 8’
44. Blockflöte 4’
45. Quinte  1 1/3
46. Sifflet 1’
47. Zimbel 3fach
48. Vox humana 8’
49. Tremulant
IV. Solo
50. Tuba magna 16’
51.
Tuba mirabilis 8’
52. Tuba clairon 4’
(extern an der Südwand in englischer Bauweise auf 400 mm WS als Kopie nach Father Willis)
III. Récit (Oberwerk C-g3)
53. Bourdon  16’
54. Geigenprinzipal 8’
55. Koppelflöte 8’
56. Gamba  8’
57. Voix céleste 8’
58. Prinzipal  4’
59. Rohrflöte  4’
60. Nasat  2 2/3
61. Spitzflöte 2’
62. Terz 1 3/5
63. Mixtur 4fach
64. Basson 16’
65. Trompette  8’
66. Hautbois 8’
67. Clairon  4’
68. Tremulant
II. Rückpositiv (C-g3)
69. Prinzipal  8’
70. Holzflöte  8’
71. Oktave 4’
72. Rohrflöte  4’
73. Gemshorn 2’
74. Nasat  1 1/3
75. Sesquialtera 2fach
76. Scharf 4-6fach
77. Krummhorn 8’
78. Schalmey 4’
79. Tremulant
4000 facher Setzer, Schweller III, IV, Walze frei einstellbar, Zungen ab, Tutti, Sequenzschalter.

Quellen:

  • Beer, Johannes: Die Herforder Münsterkirche, Herford o.J.
  • Uhlenbruch, Dr. Fritz: Herforder Musikleben bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts, Herford 1926
  • Brackhane, Fabian B.: Orgeln in Herford, Herford 2006
  • Landeskirchliches Archiv der Evangelischen Kirche von Westfalen (Bielefeld), Aktensignatur 418
  • Falkenberg, Hans-Joachim: Epochen der Orgelgeschichte Förster und Nicolaus, Lauffen 1992
  • Tacke, Dr. Hans-Christian: Gutachten vom 26.11.2005